BERICHT EXPERTENTELEFON \"Morbus Bechterew\" am 01.12.2011

Anhaltende Rückenschmerzen ernst nehmen

Chronische Beschwerden können zur Versteifung der Wirbelsäule führen

Rückenschmerzen kennt so gut wie jeder. Die meisten denken dabei sofort an Bandscheibenprobleme oder einen Hexenschuss. Doch nur die wenigsten wissen, dass auch rheumatische Erkrankungen hinter den Beschwerden stecken können – vor allem, wenn jüngere Patienten betroffen sind. Entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie Morbus Bechterew treten oftmals bereits im Alter zwischen 16 und 40 Jahren auf. In Deutschland sind nach Schätzungen rund 400.000 Menschen betroffen. Nur bei etwa einem Drittel ist die bislang unheilbare Krankheit erkannt. Zu den klassischen Symptomen gehören tief sitzende Rückenschmerzen und eine krankheitstypische Morgensteifigkeit, vor allem im unteren Rücken. Um zu verhindern, dass die Schmerzen immer schlimmer werden und Entzündungen der Wirbelgelenke schließlich zur vollständigen Versteifung führen, können moderne Medikamente und ein gezieltes Training wirksam sein. Alles über zeitgemäße Behandlungskonzepte erfuhren unsere Leser am 1. Dezember 2011 von vier erfahrenen Spezialisten am Expertentelefon.

Die genauen Ursachen von Morbus Bechterew, der auch als axiale Spondyloarthritis (AS) bezeichnet wird, sind bis heute nicht vollständig geklärt. „Wir gehen aber davon aus, dass genetische Ursachen in Verbindung mit einer Störung des Immunsystems vorliegen“, erläutert Prof. Dr. Jürgen Braun. Mechanischer Stress und Rauchen könnten den Krankheitsverlauf zusätzlich verschlechtern, so der Ärztliche Direktor des Rheumazentrums Ruhrgebiet in Herne. Doch etliche Patienten wissen gar nicht, dass sie sich mit ihrem Verhalten schaden, denn nach den Erfahrungen des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie vergehen durchschnittlich fünf bis acht Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wird.

Lieber gleich zum Spezialisten

Um eine gezielte Behandlung sicher zu stellen, sollten Betroffene selbst aktiv werden und einen Facharzt aufsuchen. „Insbesondere der internistische Rheumatologe ist heutzutage weitgehend für die oft anspruchsvolle medikamentöse Therapie verantwortlich“, erklärt der Münchner Rheumatologe Prof. Dr. Herbert Kellner. Gut ausgebildete Spezialisten seien über die Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew (DVMB), die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) oder den Berufsverband der Rheumatologen (BDRh) zu finden. Eine umfassende Therapie sollte möglichst alle Aspekte der Erkrankung berücksichtigen: sowohl die Entzündung als auch die Versteifung der Gelenke und die Knochenneubildung. Mögliche Begleiterkrankungen wie Schmerzen in Arm- und Beingelenken, eine Regenbogenhautentzündung der Augen sowie chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa müssen ebenfalls behandelt werden, um dauerhafte gesundheitliche Schäden zu minimieren.

Entzündung effektiv unterdrücken

Standardmäßig werden entzündungshemmende Medikamente aus der Gruppe der NSAR eingesetzt, doch reichen diese häufig nicht aus oder müssen wegen Nebenwirkungen abgesetzt werden. Hier stellt die Behandlung mit TNF-alpha-Blockern wie beispielsweise Infliximab und Golimumab eine Alternative dar: „Dies sind die aktuell am stärksten wirksamen entzündungshemmenden Stoffe. Sie sind bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität und entzündungsbedingten Schmerzen, die trotz konventioneller Behandlung anhalten, zu empfehlen“, betont Prof. Braun. Auch Prof. Dr. Joachim Sieper setzt auf die modernen Biologika: „Sie hemmen einen speziellen Botenstoff, der bei der Entzündung eine große Rolle spielt, das so genannte TNF-alpha.“ Dadurch erfolge eine sehr effektive Unterdrückung und Behandlung der Entzündung, so der Leiter der Rheumatologie an der Berliner Charité, und es werde eine deutliche Besserung der typischen Beschwerden wie Schmerzen und Steifigkeit erreicht.

Krankengymnastik besonders empfehlenswert

Begleitend ist eine gezielte Morbus-Bechterew-Krankengymnastik ratsam. „Die Erfahrung zeigt, dass man sich nach der Krankengymnastik deutlich besser fühlt, da man wieder beweglicher ist“, betont Ludwig Hammel. Der Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e. V. ist selbst Bechterew-Patient und empfiehlt Betroffenen, die Krankengymnastik nur wenig abgewinnen können, zusätzlich eine Sportart zu betreiben, die ihnen wirklich Spaß macht. Dies könne Nordic Walking ebenso sein wie Radfahren, Volleyball oder Skilanglauf im Winter.


INFOKASTEN: Weitere Informationsquellen für Betroffene

  • Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew (DVMB): Wichtige Informationen, Telefon- und Internetberatung, Tipps zu Selbsthilfegruppen, Literaturhinweise: www.bechterew.de
  • Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh): Kompetenznetz Rheuma, Praxis- und Klinikwegweiser, Tipps zur medikamentösen Therapie, Bechterew-Check: www.dgrh.de
  • Berufsverband der Rheumatologen (BDRh): Informationen für Patienten, umfangreiche Arztsuche nach Postleitzahl: www.bdrh.de
  • Weitere hilfreiche Informationen inkl. Selbsttest und Arztsuche unter www.ruecken-experte.de und www.einmal-monatlich.dea

Am Telefon saßen für Sie:

Prof. Dr. Jürgen Braun, Ärztlicher Direktor des Rheumazentrums Ruhrgebiet in Herne und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.

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Ludwig Hammel, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e. V., Schweinfurt. Vorstandsmitglied der Deutschen Rheuma Stiftung. Morbus-Bechterew-Patient.

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Prof. Dr. Herbert Kellner, Niedergelassener Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologe und Gastroenterologe in München. Ärztlicher Leiter der Abteilung Rheumatologie, Krankenhaus Neuwittelsbach. Ärztlicher Berater der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew.

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Prof. Dr. Joachim Sieper, Leiter der Rheumatologie an der Charité Universitätsmedizin, Campus Benjamin Franklin, Berlin.

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Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),
Gesundheitsthemen